Die Studie

Vom 14. Juli bis zum 23. September 2023 wurde, finanziert von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, die dritte repräsentative Bevölkerungsbefragung zur Kulturellen Teilhabe in Berlin durchgeführt. Eine ihrer zentralen Fragestellungen war, welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie auf den Berliner Kulturbereich und sein Publikum hat.

kurz&knapp-Bericht „Kultureinrichtungen in (post-pandemischem) Veränderungsdruck – wie zu anderer Relevanz gelangen?” aus der Bevölkerungsbefragung Kulturelle Teilhabe in Berlin 2023

Ein Leben mit COVID-19 scheint zur neuen Normalität geworden zu sein. Kultureinrichtungen werden voraussichtlich nicht bald wieder in großem Stil pandemiebedingte Publikumseinbrüche erleben. Dennoch ist in vielen Häusern die Publikumssituation nicht rosig. Auch wenn 2023 die Besuchs- bzw. Auslastungszahlen in einigen Kultureinrichtungen anscheinend wieder auf dem Niveau von 2019 liegen, ist dies aber bei weitem nicht bei allen der Fall. Von den Publikumsrückgängen sind vor allem Einrichtungen betroffen, die eigentlich im Hinblick auf Kulturelle Teilhabe besonders erfolgreich waren. Denn gerade Besucher*innen-gruppen jenseits der „üblichen Verdächtigen“ kehrten nach der Pandemie spärlicher als diese ins Publikum zurück.

Doch selbst eine volle Rückkehr zur Publikumszusammensetzung vor der Pandemie würde viele altbekannte Probleme nicht lösen. Bereits seit längerem ist bei vielen Kultureinrichtungen das Thema „Überalterung des Publikums“ auf der Agenda. Schon rein biologisch wird die Generation der Babyboomer in Kürze als Publikum wegfallen. Jüngere und diverser zusammengesetzte Generationen rücken jedoch nach aktuellem Stand nicht in gleichem Maße ins Publikum nach. Dennoch, auch das muss gesagt werden, bleiben die Zustimmungswerte für die öffentliche Förderung klassischer Kulturangebote bislang stabil auf sehr hohem Niveau; auch bei Menschen im Alter von unter 30 Jahren.

In diesem Zusammenhang rücken eine gezielte Besucher*innen-gewinnung und ‑bindung zunehmend in den Fokus von Kultureinrichtungen und ihren Fördergebern.

Aber wird ein verstärktes „Audience Development“ ausreichend Relevanzgewinn für die Kultureinrichtungen bewirken, wenn große Teile der Bevölkerung sie trotz vieler bisheriger Bemühungen nur selten bis nie besuchen, wenn Kultureinrichtungen für nachrückende Generationen vor allem ein Freizeitangebot von vielen sind?

Dieser kurz&knapp-Bericht nimmt die Ausgangslage des (potenziellen) Publikums nach der Pandemie in den Fokus und widmet sich den folgenden Fragen:

  • Ist das klassische Kulturpublikum nach der Pandemie inzwischen zurückgekehrt und wie sieht die Lage bei Gelegenheits- und Selten- bis Nie-Besucher*innen aus? 
  • Welche Veränderungen im Publikum gibt es hinsichtlich Soziodemografie und Lebensstil? Hat sich das Freizeitverhalten der Bevölkerung pandemiebedingt verändert? 
  • Wie kann die Relevanz von Kultureinrichtungen in der Bevölkerung ganz generell und jenseits von Besuchen gesteigert werden?

Zentrale Ergebnisse

  • Bereits die Befragungsergebnisse aus 2019 deuteten in der gesamten Bevölkerung im Vergleich zu 2018 eine im Zeitverlauf  leicht sinkende Besuchs-häufigkeit bei klassischen Kultur-angeboten wie Ausstellungen, Konzerten oder Theateraufführungen an. Dieser Trend hat sich bis 2023 deutlich verstärkt und anscheinend verstetigt.
  • Eine Abnahme der Besuche von klassischen Kulturangeboten zeigt sich 2023 insbesondere bei den Über-50-Jährigen, am deutlichsten aber bei denjenigen im Alter über 70 Jahren. Eine gleichzeitig verstärkte (Re-) Aktivierung von Nachwuchspublikum in jüngeren Altersgruppen ist nicht erkennbar.
  • Besonders stark haben bisherige Selten- bis Nie-Besucher*innen Interesse an klassischen Kulturangeboten verloren. Ein Negativeffekt zeigt sich auch bei Gelegenheits-Besucher*innen. Stärksten Einfluss auf Besuchs- und Auslastungs-zahlen dürfte aber haben: Auch Viel-Besucher*innen brechen weg.
  • Die Pandemiezeit hat zu einer Entwöhnung von Kulturbesuchen geführt. Freie Zeit wird 2023 stärker zu Hause und mit anderen Tätigkeiten verbracht. In Folge ist auch die Akzeptanz gesunken, Aufwand für Kulturbesuche auf sich zu nehmen.
  • Vor allem ältere Menschen scheuen weiterhin das Ansteckungsrisiko für Krankheiten bei Besuchen klassischer Kulturangebote. Jüngeren fehlen bei diesen zunehmed ein Fokus auf Diversitätsthemen und Optionen der Mitgestaltung.
  • Insbesondere Menschen unter 30 Jahren fühlen sich bei klassischen Kulturangeboten fehl am Platz und finden dortige Verhaltensregeln steif. Vor allem sie sind es auch, die lockere Veranstaltungen wünschen, bei denen man auch etwas essen und trinken kann.