Erste Analysen des Instituts für Kulturelle Teilhabeforschung aus der Studie „Kulturelle Teilhabe in Berlin 2023“ zum postpandemischen Besuchsinteresse an klassischen Kulturangeboten
Zwar haben Kultureinrichtungen voraussichtlich nicht so schnell wieder Publikumseinbrüche im großen Stil zu befürchten wie während der COVID-19-Pandemie. Die Publikumssituation ist dennoch nicht rosig, vor allem klassische Kulturangebote wie Ausstellungen, Theater‑, Opern‑, Ballett-/Tanztheateraufführungen oder klassische Konzerte werden von den Berliner*innen inzwischen seltener besucht. Auch einige altbekannte Probleme wurden durch die Pandemie sichtbarer als je zuvor – zum Beispiel die Überalterung des Publikums in vielen Einrichtungen: Schon vor COVID-19 zeichnete sich ab, dass auf die rein demografisch in den nächsten Jahren als Publikum wegfallende Generation der Babyboomer nicht in gleichem Maße jüngere Zielgruppen nachrücken werden. Die Gründe dafür sind vielfältig und werfen unter anderem die Frage auf, welche Rolle Kultureinrichtungen in der Gesellschaft von morgen einnehmen. Erste Zahlen, Analysen und Erklärungsansätze zu den Entwicklungen in Berlin liefert der aktuelle kurz&knapp-Bericht „Kultureinrichtungen in (postpandemischem) Veränderungsdruck – wie zu anderer Relevanz gelangen?“ des Instituts für Kulturelle Teilhabeforschung (IKTf).
Die Analysen basieren auf der dritten repräsentativen Bevölkerungsbefragung zur Kulturellen Teilhabe in Berlin, die, finanziert von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, im Sommer 2023 vom IKTf durchgeführt wurde. Die ausführliche Studie „Kulturelle Teilhabe in Berlin 2023“ erscheint voraussichtlich im Frühjahr 2024.
Zentrale Ergebnisse (Auswahl):
- Die Besuche von klassischen Kulturangeboten wie Ausstellungen, Theater‑, Opern‑, Ballett-/Tanztheateraufführungen oder klassische Konzerte nehmen bereits seit mindestens fünf Jahren ab. Dieser Trend hat sich 2023 nochmals deutlich verstärkt und verstetigt: 42 % der Berliner*innen besuchen diese Angebote inzwischen seltener als vor der Pandemie.
- Vor allem Ältere bleiben diesen Angeboten inzwischen fern: 53 % der Über-70-Jährigen besuchen sie seltener als vor der Pandemie. Das bedeutet, dass die Generation der Babyboomer als Kulturpublikum noch schneller wegbricht, als es demografisch zu erwarten war. Das Nachrücken eines jüngeren Nachwuchspublikums ist weiterhin nicht erkennbar.
- Sinkendes Besuchsinteresse ist vor allem bei Berliner*innen sichtbar, die nie, nur selten oder gelegentlich klassische Kulturangebote wahrnehmen. Stärksten Einfluss auf Besuchs- und Auslastungszahlen dürfte aber haben: Auch Viel-Besucher*innen brechen weg. Im Durchschnitt besuchen fast 35 % von ihnen diese Angebote inzwischen weniger oft.
- Als wichtigsten Grund für seltenere Kulturbesuche nennen die Berliner*innen ein verändertes Freizeitverhalten. Die Pandemie hat zu einer Entwöhnung von Kulturbesuchen geführt, freie Zeit wird öfter zu Hause und mit anderen Tätigkeiten verbracht.
- Weiterer Grund ist noch immer die Angst vor Ansteckung mit Krankheiten bei einem Kulturbesuch. Diese Sorge hat sich bei knapp 16 % der Bevölkerung als Dauerthema verstetigt.
- Vor allem jüngeren Menschen fehlen bei klassischen Kulturangeboten zunehmend herkunftskulturelle Diversität und die Option der Mitgestaltung. 29 % der Unter-30-Jährigen fühlen sich außerdem in traditionellen Kultureinrichtungen fehl am Platz.
- Aber auch 25 % der Berliner Bevölkerung insgesamt empfinden den Charakter von klassischen Kulturveranstaltungen als steif. Sehr verbreitet ist der Wunsch nach mehr lockeren Veranstaltungen, bei denen man auch etwas essen und trinken kann (50 %).
- Stabil dagegen bleibt die Wertschätzung für die Berliner Kultur: In der Zeitreihe 2019 bis 2023 befürworten unverändert 84 % der Berliner*innen die Förderung klassischer Kulturangebote mit öffentlichen Mitteln. Die hohe Zustimmung (96 %) gilt auch für den Wunsch nach dem Erhalt der Angebote für kommende Generationen.