Die Studie

Vom 14. Juli bis zum 23. September 2023 wurde, finanziert von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, die dritte repräsentative Bevölkerungsbefragung zur Kulturellen Teilhabe in Berlin durchgeführt. Eine ihrer zentralen Fragestellungen war, welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie auf den Berliner Kulturbereich und sein Publikum hat.

kurz&knapp-Bericht „Musik-und Gesangsunterricht und Kulturelle Teilhabe: Zugangschancen und langfristige Effekte” 

Kinder und Jugendliche von heute sind die potenziellen Kultur-Besucher*innen der Zukunft. Kulturangebote stehen somit vor der permanenten Aufgabe, ein möglichst großes und breites Nachwuchspublikum zu erreichen. Insbesondere bei klassischen Kulturangeboten hängen Besuche aber noch immer entscheidend von Faktoren wie dem sozialem Hintergrund und infrastrukturellen Möglichkeiten des Wohnorts ab. Und allen Bemühungen der Kulturangebote zum Trotz sinkt bei den nachwachsenden Generationen offenbar seit Jahren das Interesse.

Dass kulturelle Bildung in Kindheit und Jugend für das Interesse und die Teilhabe an Kulturangeboten im späteren Lebensverlauf dabei eine wichtige Rolle spielt, ist in der Forschung schon seit vielen Jahren belegt. Der folgende Bericht beleuchtet vor diesem Hintergrund einen Teilbereich der kulturellen Bildung, den Musik- und Gesangsunterricht. Er konzentriert sich zum einen auf seine Bedeutung für die kulturelle Sozialisierung von Kindern und Jugendlichen. Zum anderen fokussiert der Bericht die Frage, inwieweit entsprechende Unterrichtsbesuche im Lebenslauf auch ganz generell auf Kulturelle Teilhabe wirken. Warum aber sollte in diesem Zusammenhang gerade dem Musikunterricht eine besondere Berücksichtigung zuteilwerden? Wissenschaftliche Studien weisen schließlich darauf hin, dass der Besuch von Instrumental- und Gesangsunterricht durch ein hohes Maß an sozialer Exklusivität geprägt ist: Neben der eigenen formalen Bildung spielen insbesondere der formale Bildungshintergrund der Eltern und deren kulturelle Interessen eine herausragende Rolle. Es handelt sich dabei just um dieselben Merkmale, die starken Einfluss auf die Teilhabe an (vor allem klassischen) Kulturangeboten ausüben. Dass vom Wahrnehmen von Musik- und Gesangsunterricht eine langfristig positive Wirkung erwartet werden kann, die nicht nur auf soziale Milieus mit ohnehin hoher Kultureller Teilhabe beschränkt ist, erscheint somit auf den ersten Blick nicht unbedingt plausibel. Und dennoch zeigen die Daten der Studie „Kulturelle Teilhabe in Berlin“ von 2023, dass die Teilnahme an ebenjenem Unterricht die kulturelle Aktivität steigert: Ehemalige Musikschüler*innen machen auch Jahre nach ihrem Unterricht häufiger Musik oder gehen ähnlichen künstlerisch-kulturellen Freizeitaktivitäten nach. Die vorliegenden Analysen zeigen darüber hinaus, dass sie häufiger Besucher*innen verschiedenster, dabei auch klassischer Kulturangebote werden. Musik- und Gesangsunterricht stärkt somit die Kulturelle Teilhabe nachhaltig in der Breite.

Zentrale Ergebnisse

  • Zwei Drittel der Berliner Bevölkerung ab 15 Jahren hatten in ihrem Leben noch nie Musik- oder Gesangsunterricht. Nur jede*r Sechste hat ihn in den letzten drei Jahren wahrgenommen. Es sind vor allem im Stadtzentrum lebende Berliner*innen, die diese Angebote nutzen.
  • Für Musik- oder Gesangsunterricht wie für Volkshochschul- oder Kunstkurse interessiert sich etwa ein Drittel der Bevölkerung. Solche regelmäßigen und verbindlichen Bildungsangebote sind für viel Berliner*innen weniger interessant als reine Kulturbesuche.
  • Je höher die eigene formale Bildung wie auch die des Elternhauses, desto wahrscheinlicher ist das Wahrnehmen von Musik- oder Gesangsunterricht im Lebenslauf. Wie viele künstlerisch-kreative Freizeitaktivitäten nimmt der Bezug hierzu mit steigendem Alter ab.
  • Musik- oder Gesangsunterricht erreicht dennoch vergleichsweise breite Bevölkerungsschichten. Auch bis zu einem Drittel der Berliner*innen in sozialen Milieus, die viele kulturelle Angebote selten bis nie besuchen, war bei entsprechenden Unterrichtsange-boten.
  • Unterricht in Musik oder Gesang wahrgenommen zu haben, erhöht nachhaltig die Wahrscheinlichkeit, im Verlauf des Lebens weitere – auch außermusikalische – Kulturangebote zu besuchen. Dies gilt unabhängig von der sozialen Herkunft einer Person.
  • Zugangsbarrieren zum Musikschulangebot einerseits abzubauen als auch dieses Angebot andererseits auszubauen kommt nicht nur den tatsächlichen Nutzer*innen zugute. Es ist auch eine Investition in den Aufbau eines zukünftigen Kulturpublikums.