Künstlerisch-kreativ in der Freizeit – ein Schlüssel für Kulturelle Teilhabe im Alter?

Vom biologischen Alter einer Person kann selbstverständlich nicht auf ihre Lebensumstände, Bedürfnisse, Vorlieben oder ihren Lebensstil geschlossen werden – viel zu unterschiedlich sind Personen gleichen Alters. Die Ungleichheit nimmt im höheren Alter sogar zu, etwa in Bezug auf gesundheitliche Belange oder ökonomische Ressourcen.

Nichtsdestotrotz nimmt das Alter in vielfältiger Weise Einfluss auf den Alltag und die alltäglichen Bedürfnisse und Lebensstile. Zunächst hängt vom Alter ab, in welchen Jahrzehnten eine Person kulturell sozialisiert worden ist. Insbesondere die Jugend und (Post-)Adoleszenz gelten als besonders wichtige Lebensphasen, die den ästhetischen Geschmack nachhaltig prägen. In Bezug auf den kulturellen Geschmack findet dies Ausdruck in einer leichten Tendenz zum (ästhetischen) Konservatismus im späteren Lebensverlauf. So nimmt der Anteil an Personen im Altersverlauf ab, die immer wieder auf der Suche nach neuen Herausforderungen und Erfahrungen sind. Auch fällt das Interesse für klassische Kulturangebote bei Personen über 70 Jahren etwas höher aus und jenes für „experimentelle und herausfordernde Werke“ etwas niedriger als bei jüngeren. Hierbei handelt es sich jedoch nur um graduelle Unterschiede.
Kulturelle Teilhabe findet also auch im Alter statt – allerdings in unterschiedlicher Ausprägung als bei jüngeren Altersgruppen:

So zeigen Studien, dass Aktivitäten in den eigenen vier Wänden, die nicht in Kultur- oder Freizeiteinrichtungen stattfinden, bei älteren Menschen am beliebtesten sind. Für die praktische Arbeit von Kultureinrichtungen bedeutet das, dass vor allem fehlende wohnortnahe Angebote für ältere Menschen eine Kernbarriere darstellen. Wenn keine Kultureinrichtungen in erreichbarer Nähe vorhanden sind, finden auch keine Besuche statt. Dies betrifft sowohl klassische Veranstaltungen von Kultureinrichtungen (z. B. Theatervorstellungen), als auch deren partizipative künstlerisch-kreativen Angebote (z. B. Bürger*innenbühnen). Die Barriere der fehlenden Begleitung – welche für Menschen aller Altersgruppen eine relevante Rolle spielt – greift auch besonders stark bei älteren Menschen, wenn beispielsweise nach dem Verlust einer Partner*in die Initiative für den Besuch kultureller Veranstaltungen sinkt.

Zentrale Ergebnisse

  • Der Anteil von Personen, denen Kreativität in der Freizeit wichtig ist, hängt nicht vom Alter ab. Gleichzeitig nimmt jedoch die Zahl künstlerisch-kreativer Personen mit steigendem Alter deutlich ab.
  • Nach Ende der COVID-19-Pandemie hat sich die Zahl der Kulturbesuche älterer Menschen noch weniger erholt als bei jüngeren. Altersspezifische Hindernisse für den Besuch klassischer Kulturangebote sind eine beschwerliche Anreise oder Gesundheitsprobleme.
  • Der Anteil von Bibliotheksbesucher*innen nimmt mit steigendem Alter deutlich ab. Bibliotheken weisen als wohnortnahes Kulturangebot ein besonderes Teilhabepotenzial für ältere Menschen auf, das bislang noch nicht ausgeschöpft wird. Volkshochschulen werden indes altersübergreifend besucht.
  • Grundsätzlich erreichen klassische Kultureinrichtungen alle Altersgruppen, über 40-Jährige sind jedoch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überrepräsentiert. In einzelnen Sparten gibt es zudem gravierende Unterschiede, vor allem über 80-Jährige sind in Museen so gut wie gar nicht Teil des Publikums.
  • Museen und Gedenkstätten sprechen jüngere Besucher*innen überdurchschnittlich stark an, während Theater und Tanz und vor allem klassische Musik hier weitaus weniger jüngere Altersanteile im Publikum haben. Das ist jedoch kein „Überalterungsproblem“, sondern vielmehr ein gravierendes Nachwuchsproblem.
  • In einigen Sparten wie beispielsweise der Oper müssen diese Altersphänomene als Generationeneffekt gedeutet werden. Dies hätte für die betroffenen Einrichtungen die problematische Folge, dass eines Tages kein interessiertes Publikum mehr vorhanden ist.

Der Bericht enthält Auswertungen aus zwei Datenquellen, einerseits der Bevölkerungsstudie „Kulturelle Teilhabe in Berlin“ und andererseits den Besucher*innenbefragungen des KulturMonitorings (Kulmon®).