Kulturelle Bildungsarbeit in Berlin: In Zeiten von Haushaltskrisen ist sie besonders gefährdet!
Nachwachsende Generationen interessieren sich immer weniger für kulturelle Angebote, gleichzeitig ist das Publikum vieler Kultureinrichtungen homogen und wenig durchlässig für die gesamte Stadtgesellschaft. Kulturelle Bildungsarbeit ist vor diesem Hintergrund von wesentlicher Bedeutung für den Kulturbereich. Auch im (aktuellen) kulturpolitischen Diskurs ist die Kulturelle Bildung und ihr Einfluss auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt zentraler Schlüsselbegriff. Dass die Kulturelle Bildungsarbeit in der Hauptstadt in Zeiten von Sparhaushalten gefährdet ist, zeigen die Ergebnisse einer neuen Studie, die das Institut für Kulturelle Teilhabeforschung (IKTf) unter dem Titel „Status quo der Kulturellen Bildung in Berlin 2024“ veröffentlicht. Gefördert wurde die Studie durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SenKultGZ).
Ergebnisse im Überblick (Auswahl):
Unklare Verortung und fehlende Ressourcen machen Kulturelle Bildungsarbeit vulnerabel
- Landesgeförderte Kultureinrichtungen in Berlin sehen sich vorrangig als Kunstorte und definieren sich mehrheitlich über ihre künstlerische Ausrichtung. Weniger als jede zehnte versteht sich primär als Ort Kultureller Bildung.
- Nur knapp ein Drittel dieser Kultureinrichtungen hat Kulturelle Bildungsarbeit als eigenen Bereich organisiert.
- Knapp die Hälfte der Einrichtungen führt daher kein eigenes Budget für Kulturelle Bildungsangebote und sieht hier auch keinen Änderungsbedarf.
- Honorarkräfte bilden das eigentliche Rückgrat der Kulturellen Bildungsarbeit, feste Stellen sind selten. Auf eine feste Stelle kommen im Durchschnitt rund fünf Honorarkräfte.
- Die unklare Verortung innerhalb der Organisationsstrukturen wird von den Aktiven als Abwertung gegenüber den anderen Bereichen empfunden. In Zeiten drastischer Mittelkürzungen für Kultureinrichtungen wird vermutlich vor allem hier und nicht etwa beim Programm gespart.
Junge Menschen sind die Hauptzielgruppe Kultureller Bildungsangebote
- Junge Menschen im Alter von sechs bis 27 Jahren – aus deren Reihen sich das dringend benötigte Kulturpublikum von morgen gewinnen ließe – sind die Hauptzielgruppe Kultureller Bildungsangebote. Bei landesgeförderten Institutionen stehen Jugendliche und junge Erwachsene im Fokus, während für bezirkliche Einrichtungen Kleinkinder wichtiger sind.
- Die Grundversorgung mit Angeboten der Kulturellen Bildung hat sich in Berlin in den letzten zehn Jahren verbessert, allerdings sehen bezirkliche Akteur*innen noch Nachholbedarf.
Ziele der Kulturellen Bildungsarbeit gehen über Kunst- und Kulturvermittlung hinaus
- In der Kulturellen Bildungsarbeit sind Beteiligungsformate wie künstlerische Aktivitäten zentral. Landesgeförderte Kultureinrichtungen fokussieren hierbei stärker auf Vermittlung der eigenen künstlerischen Themen, während andere Akteur*innen kreatives Mitwirken und aktiv-produktive Ansätze betonen.
- Zugleich reichen die Ziele von Kultureller Bildungsarbeit über die reine Kunst- und Kulturvermittlung oft deutlich hinaus: Sie streben langfristige soziale und gesellschaftliche Wirkungen an.
- Projekte verfolgen oft vielfältige, teils konkurrierende Ziele, die von Förderkriterien, Projektlaufzeiten und künstlerischen Ausrichtungen bestimmt werden. Dies erschwert nachhaltige Entwicklungen und gemeinsame Standards.
Kooperationen sind wesentlich für die Kulturelle Bildungsarbeit
- Kulturelle Bildungsarbeit findet maßgeblich projektbezogen in gewachsenen, dauerhaften und regelmäßigen Formen der Zusammenarbeit statt. Daher sind Kooperationen essenzieller Bestandteil.
- Schulen, Kitas und Horte sowie Künstler*innen der Freien Szene sind hierbei die zentralen Partner*innen. Auch Kiez‑, Stadtteil- und Nachbar*innenschaftseinrichtungen spielen für Kooperationen eine wichtige Rolle, beispielsweise durch ihre Erreichbarkeit und Nähe zu Wohnorten.
Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Kulturellen Bildungsarbeit
Die Studie spricht klare Handlungsempfehlungen aus:
- Kulturelle Bildungsarbeit braucht eine langfristig richtungsgebende Kulturpolitik in Bezug auf gemeinsame Ziele und Wirkungsabsichten.
- Im Rahmen der Kulturförderung muss geklärt werden, welchen Stellenwert Kulturelle Bildungsarbeit etwa gegenüber der Programmarbeit hat.
- Fördergebende stärken Kulturelle Bildungsarbeit, indem sie gemeinsam mit den Aktiven klare Vereinbarungen entwickeln: Kulturelle Bildung sollte fester Bestandteil der Arbeit und des öffentlichen Auftrags sein.
- Neben der Förderung einzelner Projekte braucht es mehr Unterstützung für langfristige Projekte und Kooperationen. Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie lokale Initiativen sollten zusammenarbeiten, um dauerhafte Angebote zu schaffen.
- Kultureinrichtungen ist zu empfehlen, Bildungsangebote für Kleinkinder sowie Formate mit künstlerischer Mitgestaltung als auch digitale Kommunikationsformen auszubauen.
- Es bedarf einer Einführung eines Vergütungsstandards für Honorarkräfte und langfristiger Rahmenverträge zur Sicherung der personellen Ressourcen.