Lebensstile in der (Nicht-)Besucher*innenforschung

Bei der Beschäftigung mit Kultureller Teilhabe geht es im Kern um die soziologische Analyse, welche gesellschaftlichen Gruppen Kultur- und Freizeitangebote nutzen und welche nicht – und  welche Ursachen dafür verantwortlich sind. Von Interesse ist dabei jedoch nicht nur, die passive Teilnahme an Kultur- und Freizeitangeboten in den Blick zu nehmen. Auch die Frage, welche Bevölkerungsgruppen aktiv am kulturellen teilhaben, beispielsweise indem sie auf nicht professioneller Ebene kulturelle Inhalte (mit)produzieren (z. B. Malen/Zeichnen), an Angeboten von Kultur- und Freizeiteinrichtungen aktiv beteiligt sind (z. B. Theaterworkshops) oder (Mit-)Gestaltungsmöglichkeiten in Kultur- und Freizeitangeboten wahrnehmen (z. B. durch Ko-Kreation bei der Programmgestaltung).

Um die Gruppen aus Besucher*innen und Nichtbesucher*innen differenziert beschreiben zu können, werden zumeist soziodemografische Merkmale wie Alter, formaler Bildungsabschluss oder Geschlecht herangezogen. Entsprechende Daten werden in der Regel auch bei der Zielgruppenbildung im Bereich des Kulturmarketings erhoben und verwendet. Aber sind diese Daten zur Erklärung von Besuchen und Nichtbesuchen von Kultur- und Freizeitangeboten und somit zur Beschreibung von Kultureller Teilhabe ausreichend?

Aus dem Forschungsbereich der „Sozialen Ungleichheit“ der Soziologie ist schon seit den 1970er/1980er Jahren bekannt, dass soziodemografische Faktoren für das Verstehen und Vorhersagen sozialen Verhaltens – zum Beispiel eines Kulturbesuchs – nur beschränkte Erklärungskraft haben. Mit ihnen lässt sich zwar beschreiben, über welche beispielsweise finanziellen, kognitiven oder zeitlichen Ressourcen jemand grundsätzlich verfügt. Wofür diese Ressourcen in der Freizeit jedoch letztendlich eingesetzt werden (Kulturbesuch, Reisen, sportliche Aktivität, Hobby, etc.) lässt sich über soziodemografische Merkmale wenig präzise erklären. In der Soziologie werden stattdessen sogenannte Lebensstile oder soziale Milieus als ein weiterer wichtiger Erklärungsfaktor sozialen Handelns herangezogen.

Im Bereich der (Nicht-)Besucher*innenforschung nutzt das IKTf die Lebensstiltypologie des Soziologen Gunnar Otte, der in der Bevölkerung Deutschlands neun verschiedene Lebensstile definiert hat. Die Zuordnung einer Person zu einem Lebensstil erfolgt bei diesem Instrument durch vorgegebene Kombinationen von Antworten auf zwölf Fragen zu lebensbereichsspezifischen Einstellungen und Verhaltensweisen. Das Kulturbesuchsverhalten unterscheidet sich zwischen den Lebensstilen beträchtlich.

Aktualisierung des Lebensstilinstruments

In verschiedenen Forschungsaktivitäten setzt das IKTf als Erhebungsinstrument die Lebensstiltypologie des Soziologen Gunnar Otte ein. Zurzeit wird die hinter der Typologie liegende Berechnungsmethode einem Update unterzogen. Ziel ist eine aktualisierte Typologie mit noch plastischeren Lebensstilbeschreibungen. Die neue Methodik wird wissenschaftlichen Standards entsprechend vollständig veröffentlicht, der Einsatz einer Neu-Version des Instruments in IKTf-Studien ist ab 2023 geplant.